Stadt, 2022 – 2023

»Ein Spiel mit Widersprüchen«

Claudia Ihlefeld, Heilbronner Stimme

Von Mai 2022 bis April 2023 war Heilbronn »Hauptstadt der Folgenlosigkeit«. Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Harry Mergel organisierte der »Bund der Folgenlosen« mit zahlreichen lokalen Akteur:innen und Institutionen eine Reihe von Ausstellungen, Lesungen, Konzerten, Festen, Performances und Vorträgen, die sich alle um Folgenlosigkeit, Nicht(s)tun und Vermeidung drehten.

Im Zentrum des urbanen Spektakels stand ein Bürger:innenstipendium als Erprobungsversuch freudvoller Unterlassung - das »Stipendium für Nicht(s)tun«, welches Anfang Mai 2022 in der Stadt ausgeschrieben wird. 5.000 Euro sollen drei Bürger:innen erhalten, um etwas nicht zu tun. Die Gewinner:innen wurden in einem basisdemokratischen Experiment von allen Teilnehmenden ermittelt. Einzige Teilnahmebedingung: Alle, die mitmachen, mussten am Ende auch für drei Monate dem Vorbild der Gewinner:in folgen.

Im Rathaus wurde ein »Amt für Folgenlosigkeit« eingerichtet, in dem Bürger:innen ihre eigenen Ideen und Vorschläge zur Folgenlosigkeit einbringen können – denn die »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« war nicht nur ein diskursives Kunst-, sondern auch ein Stadtentwicklungsprojekt. Es sollte in der Stadt eine lebendige Diskussion anregen, wie die Bürger:innen ihre Zukunft gestalten wollen. Ein Stadtschreiber (Alexander Estis), ein Fotograf (Nico Kurth) und ein Filmteam (Rebecca Panjan) dokumentierten die Aktivitäten und die sich daraus entwickelnden Dynamiken.

Zum Abschluss wurde ein Rechenschaftsbericht im Heilbronner Kunstverein ausgestellt. Zur Finissage wurde der »Bund der Folgenlosen« im Neckar zu Grabe getragen.

Beteiligte

Künstlerische Leitung: Friedrich von Borries, Tobias Frühauf, Philip Wolpert
Grafik: Ingo Offermans
Film: Rebeca Panjan
Stadtschreiber: Alexander Estis
Fotograf: Nico Kurth

Projektpartner

Projektpartner des einjährigen Festivals sind das Schul-, Kultur- und Sportamt sowie städtische Kulturinstitute und die Stabsstelle für Integration und Partizipation, das Württembergische Kammerorchester, die Hochschule Heilbronn, das Demokratiezentrum Heilbronn, der Kunstverein, das Theaterschiff, das Arthaus Kino, die Lokale Agenda 21, die Volkshochschule Heilbronn, die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn, die 42Heilbronn, die Akademie für Innovative Bildung und Management (aim), die Campus Founders, Daishin Zen Heilbronn und viele mehr.

Förderung

Baden-Württemberg Stiftung, Dieter Schwarz-Stiftung, Kulturstiftung der Kreissparkasse Heilbronn, Stadt Heilbronn, Paula-und-Anna-Göbel-Stiftung der Stadt Heilbronn

Zugehörige Projekte

Ausstellung

Rechenschaftsbericht

Eine Installation im Kunstverein Heilbronn legt Rechenschaft über die »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« ab.

Mit einer mehrteiligen Installation im Kunstverein Heilbronn legen die künstlerischen Leiter der »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« – Friedrich von Borries, Tobias Frühauf und Philipp Wolpert – Rechenschaft über Erfolg, Scheitern und Zukunft der urbanen Versuchsanordnung ab. Präsentiert werden Fotografien, Texte, ein Film sowie verschiedene interaktive Stationen, die das zwölfmonatige Projekt künstlerisch reflektieren.

Intervention

Stipendium für Nicht(s)tun

Was würden Sie unterlassen, wenn Sie 5000 Euro bekommen? Das fragte das »Stipendium für Nicht(s)Tun«.

Was würden Sie unterlassen, wenn Sie dafür 5000 Euro bekommen? Das fragte das »Stipendium für Nicht(s)Tun« im Rahmen des Stadt- und Kunstprojektes »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« in Heilbronn. Über 200 Leute nahmen teil! Sie gingen der Frage nach, wie ein sinnvolles Leben vor dem Hintergrund von Klimawandel und sozialer Ungleichheit zukünftig aussehen kann – und gründeten schließlich ein »Nicht(s)tun-Kollektiv«.

Intervention

Amt für Folgenlosigkeit

Im Rathaus von Heilbronn bot der »Bund der Folgenlosen« eine Sprechstunde über Folgenlosigkeit an.

An zwei Tagen in der Woche bietet der Bund der Folgenlosen Sprechstunden an. Bewerber:innen, die keine Online-Bewerbung durchführen können, Rückfragen zum Stipendium für Nicht(s)-Tun oder zum Projekt »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« haben, finden im »Amt für Folgenlosigkeit« Unterstützung und Auskunft. Das Projektteam ist zu den Sprechzeiten auch Ansprechpartner für Personen, die gerne selbst ein Format innerhalb des Festivals »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« durchführen oder entwickeln wollen.

Film

Die Kunst der Folgenlosigkeit

Ein Film über Nachhaltigkeit und die Aufgabe der Kunst in Zeiten der ökologischen Katastrophe.

Was ist Kunst, was kann, soll sie politisch bewirken? »Die Kunst der Folgenlosigkeit« ist ein Film über die Aufgabe der Kunst in Zeiten der ökologischen Katastrophe. Wie wichtig ist Erfolg und was bedeutet es, ein Leben ohne negativen Folgen zu führen? In einer Collage aus fiktionalen und dokumentarischen Szenen entpuppt sich die »Kunst der Folgenlosigkeit« als ein unmögliches, aber dennoch erstrebenswertes Ideal.

Publikation

Fest der Folgenlosigkeit

Ein Roman über Kunst, Selbstüberschätzung und Gewalt – und ein Museum für ökologische Kunst.

Ein Roman über Kunst, Nachhaltigkeit und ein Museum für ökologische Kunst. Selbstüberschätzung trifft auf Lebensangst, Verzweiflung auf Hoffnung, Aktivismus auf Gewalt. Unerwartete Beziehungen entstehen, die im verschwenderischen »Fest der Folgenlosigkeit« ihren explosiven Höhepunkt finden.

Ausstellung

Schule der Folgenlosigkeit (Ausstellung)

Wie sähe ein Leben aus, das – im ökologischen, aber auch im virologischen Sinne – möglichst folgenlos bleibt?

Wie sähe ein Leben aus, das möglichst folgenlos bleibt? Könnte Folgenlosigkeit ein neues regulatives Ideal werden, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, unerreichbar, aber dennoch erstrebenswert? Welche Auswirkungen hätte ein solches Streben auf die materielle und immaterielle Gestaltung unseres Alltags, auf die Wirtschafts- und Sozialordnung, auf unseren Glauben und auf die Art, wie wir miteinander umgehen?

Edutainment

Schule der Folgenlosigkeit (App)

Mit einer App die eigene Folgenlosigkeit durchspielen. Mit Expert:inneninterviews und Tutorialvideos.

Mit einer App die eigene Folgenlosigkeit durchspielen. Die App »Schule der Folgenlosigkeit« wurde in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) entwickelt. Kleine Games, Expert:inneninterviews und Tutorialvideos richten sich an alle, die über den Zustand unserer Welt nachdenken – und verstehen wollen, wie die eigene Lebenswirklichkeit mit Klimawandel und gesellschaftlichen Strukturen verbunden ist.

Intervention

Stipendium für Nichtstun

1600 Euro damit man etwas unterlässt. Das »Stipendium für Nichtstun« war Teil der »Schule der Folgenlosigkeit« und hinterfragte die gängigen Mechanismen des Leistungsdenkens. Es lud dazu ein, über die Verbindung der eigenen Lebenswirklichkeit, der gesellschaftlichen Strukturen und dem Klimawandel nachzudenken. Aus 2864 Bewerbungen aus 70 Ländern wurden drei Gewinner:innen wurden ausgewählt.