Pilze sind weit mehr als aromatische Fruchtkörper. Die Wurzeln vieler Pilzarten bilden im Erdboden ein Netzwerk. Dieses Myzel kann sich über mehrere Quadratkilometer ausdehnen und ist als sich wandelnder Organismus quasi unsterblich. Durch das Myzel stehen die Pilze im Nährstoffaustausch mit Bäumen und anderen Pflanzen. Ihre symbiotischen Beziehungen sind unerlässlich für das Ökosystem.
Pilzkulturen verfügen über eine kollektive Form von Intelligenz und können eine Vielzahl an Geschlechtern aufweisen. Manche Pilze eignen sich zum Verzehr, andere können krank machen, aus weiteren werden Arzneien oder nachhaltige Werkstoffe hergestellt.
Eine wichtige Inspiration für die Ausstellung, die im Rahmen eines ein-jährigen Seminars an der HFBK Hamburg entstanden ist, war das Buch “Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus” der Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing. Es stellt nicht nur die Potentiale von Pilzen dar, sondern sucht angesichts der Krisen der Gegenwart nach Strategien für einen post-kapitalistischen Neuanfang. Tsing sucht nach neuen Blickwinkeln, (Über-)Lebensformen und Paradigmen - der Matsutake-Pilz wurde dabei ihr Wegweiser in eine Art Parallelwelt. Ihre Forschungen über Matsutake-Vorkommen in von Menschen zerstörten Wäldern eröffneten ihr Einblicke in unkonventionelle Sammler- und Händlerstrukturen, die durch prekäre Lebenssituationen entstanden. Tsings analytisch-poetische Vorgehensweise beruht auf “Begegnungen”; ein Prinzip, das für die Ausstellung in eine offene “Pilzsprechstunde” übersetzt wurde. Die ausgestellten Kunstwerke stammen von aktuellen und ehemaligen Studierenden der HFBK Hamburg. Sie bilden die Fruchtkörper, die das Seminar als Myzel hervorgebracht hat. Ergänzend gibt es ein Programm mit Performances und Begegnungsangeboten.
Die wundersame Welt der Pilze fasziniert und verspricht weitere bahnbrechende Lösungen und Erkenntnisse. Zeigt der Pilz uns auch einen Ausweg aus den mit dem Klimawandel einhergehenden Krisen? Die Anpassungsfähigkeit und die ko-existenzielle Lebensweise von Pilzen sollten uns ein Vorbild sein. Denn die Zukunft der Pilze ist hoffnungsvoll. Können wir vielleicht auch eine symbiotische Beziehung zu ihnen und der Natur aufbauen?
Mit Arbeiten von: Ayşe Ateş, Benjamin Janzen, Lena Kunz, Luca Laurora, Chaeyoung Lee, Lea Kirstein, Ben Nurgenç, Seong Jae Oh, So Jin Park, Anissa Tavara und Gastkünstler*innen.
Kuratiert von Friedrich von Borries, Béla Dizar, Eileen Krüger, Marita Landgraf und Nozomi Ngceni.